Der Traum vom Fliegen wird wahr

Geschrieben am 02.02.2021
von Sandro Gasser


In Turnerkreisen kennt man Fabio Gasser vor allem durch seine Erfolge im Geräteturnen. Heute berichten wir jedoch nicht über einen weiteren turnerischen Erfolg, sondern über die Erfüllung von Fabios Jugendtraum.

Bereits als kleiner «Pfupf» begeisterte sich Fabio für die Fliegerei. Sein Ziel, die Ausbildung zum Militärpiloten, stand für ihn früh fest. Genauso diszipliniert und bestrebt, wie wir ihn aus der Turnhalle kennen, widmete er sich der Erfüllung seines Jugendtraumes.

Vor rund 3 Jahren begann mit dem ersten SPHAIR Kurs, das ist die fliegerische Vorschulung, der offizielle Weg zum Militärpiloten. Mit viel Herzblut und Zielstrebigkeit absolvierte Fabio diverse Kurse, bestand die nötigen Selektionen und liess sich zum Leutnant bei der Schweizer Armee ausbilden. Am 10. September 2020 war es dann soweit: Nach dem letzten Selektionsschritt wurden aus den anfänglich 650 Bewerbern die besten sieben Kandidaten ausgewählt.

Die harte Arbeit und der Durchhaltewillen haben sich gelohnt. Fabio gehört zu den sieben auserwählten Anwärtern, welche sich ihren Traum vom Militärpiloten erfüllen dürfen.

Als Bruder, Präsident des Turn Leistungs-Zentrum BTV Luzern und Turnkollege, wusste ich schon immer, dass Fabio alles Nötige mitbringt, um die Selektion zu schaffen. Trotzdem waren die Erleichterung und Freude riesig, als Fabio uns mitteilte, dass er es geschafft hatte.

In der Halle haben wir bereits gemeinsam angestossen und den Erfolg gefeiert. Im Namen des Turn Leistungs-Zentrum BTV Luzern wünsche ich Fabio alles Gute und viel Erfolg für die weitere Ausbildung zum Militärpiloten – Wir sind stolz auf dich!

 



 


Interview mit Fabio Gasser

Alter: 21 Jahre
Wohnort: Meggen (LU)
Beruf: angehender Militärpilot

 

Für dich geht ein Jugendtraum in Erfüllung, wie ist das für dich?

Es ist wunderschön. Ich habe lange auf dieses Ziel hingearbeitet und dass tatsächlich alles wie geplant funktioniert hat, kann ich teilweise heute noch selbst nicht glauben. Es ist ähnlich wie im Turnen, wenn man sich lange auf einen Wettkampf vorbereitet und am Tag X funktioniert alles wie man es sich vorgenommen hat und man kann seine Leistung abrufen.
 

Als Militärpilot trittst du in die Fussstapfen deines Vaters, liegt das Fliegen in den Genen?

Ob es in den Genen liegt, steht in den Sternen. Dass mein Vater früher Pilot auf dem Tiger F-5 und später bei der Swiss war, hat mich aber sicherlich stark geprägt. Schon in jungen Jahren durfte ich mit ihm zum Flugplatz Emmen. Dort konnte ich in die Cockpits der Flugzeuge steigen und auf dem Kontrollturm den Flugzeugen, welche mit Nachbrenner in die Luft stiegen, gespannt zuschauen. Die Faszination Fliegerei begleitet mich schon seit ich denken kann.



Vater (Moritz Gasser - links) und Sohn (Fabio Gasser - rechts) vor einem Ausbildungsflug in Locarno (TI)
 


Wie sah deine Ausbildung bis zum positiven Bescheid «Militärpilot» aus?

Der Weg zum Militärpiloten besteht aus verschiedenen Selektionsschritten. In einem ersten Teil unterzog ich mich einer allgemeinen Eignungsprüfung. Getestet wurden allgemeine Fähigkeiten wie der Orientierungssinn, die Koordinationsfähigkeit oder das Gedächtnisvermögen. Danach folgte ein zweiwöchiger Flugkurs auf einem kleinen Flugzeug. Später folgten dann noch psychologische und medizinische Abklärungen, um sicherzustellen, dass man sich für diesen Beruf eignet und ob der Körper den Belastungen gewachsen ist. Bevor ich mich dann dem Militär und der Ausbildung zum Offizier widmete, stand noch eine einwöchige Selektion im PC-7 Simulator im Tessin auf dem Programm. Im Sommer 2019 rückte ich dann in die Rekrutenschule in Payerne ein. Während einem Jahr absolvierte ich dort eine reguläre Rekruten- und Offiziersschule. Im Sommer 2020 fand dann die letzte Selektion statt. Dabei flogen wir während sechs Wochen auf dem Schulungsflugzeug PC-7 im Tessin und mussten unser fliegerisches Können unter Beweis stellen.
 

Am 30.10.2020 durftest du deinen ersten Soloflug mit dem PC-7 absolvieren, das war sicher ein spezieller Moment?

Ja definitiv. Die Vorfreude auf diesen Flug war sehr gross und dementsprechend konnte ich mit dem nötigen Vertrauen ins Flugzeug steigen. Geplant war ein Flug im Tessin bei dem ich verschiedene Ortschaften überfliegen musste. Der Flug verlief nicht anders als mit dem Fluglehrer. Der einzige Unterschied war, dass es im Cockpit plötzlich viel ruhiger war und nur noch ich derjenige war, der im Notfall die Entscheide treffen konnte. Ich werde mich sicher noch lange an diesen Flug erinnern.



Fabio Gasser bei der Landung im Trainingsflugzeug PC-7 in Locarno (TI)
 


Wir geht es nun weiter, düst du schon bald mit dem Jet über unseren Köpfen umher?

Nein, das noch nicht. Momentan befinde ich mich im ersten Ausbildungsjahr. Die gesamte Ausbildung dauert vier Jahre und kann in 4 Phasen aufgeteilt werden. In der ersten Phase, der Grundausbildung, lernt man einfach ausgedrückt, wie man ein Flugzeug fliegt und man erhält Einblicke in die verschiedenen Verfahren der Militärfliegerei. Dazu gehört das Training von Akrobatikfiguren wie ein Looping oder eine Rolle um die Längsachse. Zusätzlich erhält man Einblicke in den Formations- und Nachtflug und noch Vieles mehr. Der Formationsflug ist mit dem Synchronturnen an den Schaukelringen oder beim Sprung zu vergleichen.

In einer zweiten Phase werden wir wie die Swiss Piloten die zivile Berufspilotenlizenz erwerben. Diese Ausbildung dauert 14 Monate und dient dazu, alle zivilen Lizenzen zu erlangen.

In einer dritten Phase kehren wir wieder zurück in die Militärfliegerei. Diejenigen, welche später Jet fliegen, werden in Emmen während einem Jahr auf das Trainingsflugzeug PC-21 umgeschult. Jene, welche später Helikopter fliegen, werden in Alpnach auf den Schulungshelikopter EC-635 umgeschult. Zum heutigen Zeitpunkt ist noch nicht entschieden, wer zukünftig Jet und wer Helikopter fliegen wird. Ich selbst präferiere den Jet.

Falls es klappt, wie ich es mir wünsche, werde ich in einer letzten Phase in Payerne während einem Jahr auf den F/A-18 umgeschult, bevor ich dann im Sommer 2024 zum Berufsmilitärpiloten brevetiert werde.
 

Das klingt nach einer langen Zeit, hat das Turnen noch Platz?

Denken wir Corona einmal weg, hätte ich im Normalfall die Möglichkeit freitags noch das Training zu besuchen. Ich weiss jedoch noch nicht, ob ich mich während der Ausbildung nur dem Sektionsturnen oder auch noch dem Einzelturnen widmen werde.



Fabio Gasser bei den Startvorbereitungen im Trainingsflugzeug PC-7 in Locarno (TI)
 


Gibt es Parallelen zum Turnsport und gibt es Dinge, die dir dank deiner Turnkarriere einfacher fielen?

Das Fliegen ist tatsächlich ähnlich wie der Turnsport. Wie in der Fliegerei bewegt man sich auch im Turnsport in der dritten Dimension. Beim Turnen entwickelt man ein Gefühl für seinen Körper, man weiss, wo der Körper beginnt und wo er aufhört. Auch beim Fliegen entwickelt man ein Gefühl für das Flugzeug, man spürt und hört, ob man schneller wird, merkt ob man am Sinken oder am Steigen ist und lernt die technischen Grenzen des Flugzeuges kennen.

Beim Turnen konnte ich sicherlich meine koordinativen Fähigkeiten und meinen Orientierungssinn schulen. Diese Fähigkeiten helfen mir beim Fliegen eines Akrobatikprogramms, die Figuren korrekt zu fliegen und die Orientierung zu behalten. Zusätzlich konnte ich im Vereinsturnen wertvolle Erfahrungen im Synchronturnen sammeln. Die Fähigkeit, sich jemand anderem anzupassen, hilft mir beim Verbandsflug genaue Korrekturen zu machen. Zudem lernte ich vor allem mit den Wettkämpfen, das nötige Vertrauen in mich selbst und in meine Leistung zu haben. Dieses Selbstvertrauen half mir vor den Testflügen in der PC7 Selektion.
 

Kannst du die Faszination am Fliegen in wenigen Worten beschreiben?

Am Fliegen fasziniert mich, dass ich die Welt von oben sehe, spannende und abwechslungsreiche Missionen durchführe, das Flugzeug und die damit verbundenen Kräfte spüre und dabei noch von guten Kameraden umgeben bin. Es ist ein bisschen mit dem BTV zu vergleichen: Beim Schaukelringturnen kann man die Welt auch von oben sehen. Die Abwechslung an den fünf Geräten ist ähnlich wie die spannenden und abwechslungsreichen Missionen beim Fliegen und im BTV wie auch in der Luftwaffe bin ich von vielen tollen Menschen umgeben, welche ihre Arbeit sehr gerne und mit viel Verantwortung ausführen. Der einzige Unterschied ist, dass ich in der Luftwaffe, egal ob als Heli- oder Jetpilot, meinen Beitrag zur Sicherheit der Schweizer Bevölkerung leisten kann und das finde ich schön.